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Fortbildung voller Inspirationen über «Nichts»

Referenten der Fortbildung "NADA"

Erfahrungsbericht von Francesco Pedrazzini über die via integralis Fortbildung «Nada – Leere – Nichts», geleitet von Margrit Wenk und Bernhard Stappel, im Februar 2022 in der Propstei Wislikofen

«Nada» begleitet mich auf meinem spirituellen Weg in der via integralis. Das simple und zugleich bedeutungsschwere Wort ist mir zu einer Richtschnur im Alltag geworden. Und doch bleibt es mir Geheimnis, mit dem Wunsch es zu entschlüsseln. So kam ich in Vorfreude mit 15 weiteren interessierten Menschen an die Fortbildung zu diesem Thema.

«Nada» im Spanischen bedeutet übersetzt «Nichts» und kommt aus der sprachlichen Wurzel «non nata», das Nichtgeborene. Zahlreiche Mystiker und Weisheitslehrer gaben durch ihre  Arbeit mit dem «Nichts» diesem wegweisende Bedeutung. Johannes vom Kreuz (1542–1591) hat mystische Erfahrungen mit «Nada» gemacht und daraus einen spirituellen Weg entwickelt.

Die unterschiedlichen Zugänge in den Vorträgen von Margrit Wenk und Bernhard Stappel waren für mich spannend.

Bernhard hat den «Nada-Weg» vor mehreren Jahren als spirituellen Vertiefungsweg für die via integralis begründet. Er schöpft aus einem grossen Fundus an Wissen und Erfahrung über die verschiedensten Mystiker*innen und ihre Wege unter dem Aspekt des «Nichts». Daraus hat er für die Kontemplation kraftvolle Rituale und Rezitationen entwickelt, mit denen er lebt und arbeitet. Sie verbinden Geist und Körper und helfen den Suchenden, «Nada» nicht ausschliesslich verstandesmässig zu erfassen. 

Margrit teilte eindrückliche, persönliche Erfahrungen mit uns, untermahlt und gedeutet durch Zitate aus christlicher Mystik und Zen. Konkrete Beispiele aus ihrem Leben zeigten uns die ganze Palette des «Nichts» und damit der absoluten «Fülle». Sie ermöglichte mir, Situationen aus meinem Leben nachzuspüren und neu zu deuten. Dabei wurden auch Emotionen im positiven Sinne «frei».

Das abwechslungsreiche Konzept von Vorträgen, Kontemplation, Lerngruppen, Plenumsrunden und Zeiten der Stille hinterliess bei mir eine Fülle von Inspirationen. Im Folgenden eine Auswahl davon:

Nada, Leere, Fülle, Nichts, Unendlichkeit, und noch andere Begriffe wie Ewigkeit, Jetzt, Non-Dualität, Universum oder Urquelle des Seins überschneiden und ergänzen sich für mich in ihrer Bedeutung. Die Auseinandersetzung mit diesen Worten hilft mir als endlichem Wesen, das Unendliche zu erahnen. Stille und Kontemplation verdichten die Ahnungen zu Erfahrungen. Nähere ich mich so dem Geheimnis des Lebens, dem Göttlichen? 

In der Lerngruppe meinte ein Teilnehmer: «Nada ist unser Boden. Wenn wir ihn nicht spüren, werden wir darauf gestossen.»

«Nada» empfinde ich als non-dualen Raum. Es unterstützt mich die Spannung auszuhalten angesichts von Leid, Trauer, Freude und Glück.

«Nada» hilft mir zu relativieren. Jedes Wort ist wie ein Schwert. Es schneidet zwar unzählige Scheiben der Wirklichkeit ab, lässt mich aber den Teil meiner erfahrenen Wirklichkeit den anderen mitteilen.

«Nada» im ganz konkreten Sinn des «Nichts» unterstützt mich beim gegenstandslosen Sitzen in Stille. Als Hilfe bewährt sich bei mir das stumme Aussprechen des «Nada» bei jedem Ausatmen. Alle aufkommenden Gedanken, ebenso wie körperliche Empfindungen und wahrgenommene Störungen von aussen können so wieder sanft im «Nichts» entschwinden. 

Der Zen-Meister Yamada Roshi (1907–1989) sagte: «Der Weg des Zen ist ein Erfahrungsweg. Und es ist ein hilfreicher Weg zur Beseitigung des Missverständnisses der Dualität.» Das «Nada» hat für mich mit der Auflösung dieses Missverständnisses zu tun. Es hilft mir zu erfahren, dass ich «Nichts» bin und damit alle Grenzen aufgelöst sind.

Ich verstehe so auch den Ausspruch Jesu: «Ich bin der Weg, die Wahrheit, das Leben». Es ist der gelebte Weg der Non-Dualität, des ewigen Jetzt, den wir alle leben können. Wir alle sind der Weg, die Wahrheit, das Leben. Es geht um das Leben, nicht um Worte. Es geht darum Wahrheit zu sein.

Wenn ich mich im Alltag in etwas hineinsteigere, kann ich freundlich zu mir sagen: «Nichts!» Auch wenn meine spirituellen Rituale ins Pompöse zu entarten drohen, hilft mir dieses einfache «Nichts».

Niklaus von Flüe (1417–1487) betete täglich: «Nimm alles von mir, was mich hindert zu Dir». Wieviel bleibt übrig?

Eine letzte Inspiration von Meister Dogen (1200–1253): Nachdem er gefragt wurde, wozu die Übung des Zazen denn noch gut sei, wenn die Erleuchtung doch schon stattgefunden habe, antwortete er: «Die Übung ist die Erleuchtung.» 
Diese Antwort Dogens erinnert mich daran, dass mein Erwachen in die Wirklichkeit des universal vernetzten, grenzenlosen Lebens ein Prozess bis zum letzten Atemzug bleibt. Dieser Prozess des Erwachens lädt mich ein, Vorgedachtes ins «Nichts» entschwinden zu lassen, Liebgewordenes loszulassen und offen zu sein für Unfassbares. Wobei die Freude an der Übung für mich eine wichtige Bedeutung bekommt, wenn Dogen sagt, die Übung sei ja die Erleuchtung. Ich muss nicht nach Erleuchtung streben, ich übe – und es zieht mich immer wieder zurück zu dieser Übung des gegenstandslosen Gewahrseins. Nada.

So kann ich zusammenfassen, dass der «Nada-Weg» meinem Wesen entspricht und meinen Kontemplationsweg ergänzt, füllt und immer wieder von Gerümpel befreit. Die «Gegenstandslosigkeit» des Weges zentriert mich auf das Wesentliche. Und nicht zuletzt ermöglichen die Begriffe «Nichts» oder «Leere» inter- und transreligiöse Zugänge zur Spiritualität.

Im Buch «Via Integralis – Wo Zen und christliche Mystik sich begegnen. Ein Übungsweg» (Autoren: N. Brantschen, P. Gyger, B. Stappel, H. Schmittfull und M. Steiner) wird ausführlich auf Geschichte und Konzept eingegangen. Das 2011 im Kösel Verlag erschienene Buch enthält jedoch noch keine Informationen zum Vertiefungsweg des «Nada», was zeigt wie fruchtbar die via integralis wächst. Hildegard Schmittfull betont gerne: «Dieser Übungsweg soll ständiges Werden bleiben!»

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