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vi Lehrgangsabsolvent:innen im Interview

Absolventen des 5, Via Integralis Lehrgangs

Vor wenigen Tagen wurde der fünfte Lehrgang «Kontemplationslehrerin / Kontemplationslehrer via integralis» in Wislikofen feierlich abgeschlossen. Während ihrem letzten Ausbildungswochenende Ende September wurden Teilnehmende des Lehrgangs von Jürgen Lembke zu einem Interview eingeladen. Am Gespräch waren beteiligt (in Reihenfolge der 1. Wortmeldung): Roland Frick (Liechtenstein), Stephanie Hahn (Deutschland), Ursula Klumpp (Schweiz), Urs Zangger (Schweiz). Die Reihenfolge im Beitragsbild entspricht von rechts nach links.

Jürgen Lembke (JL): Der Lehrgang «via integralis Kontemplationslehrerin / Kontemplationslehrer» wird im November 2023 abgeschlossen. Wie habt ihr diesen Lehrgang erlebt?

Roland Frick (RF): Von meiner Seite kann ich sagen, das Wesentliche an dem Lehrgang waren die einzelnen Begegnungen mit euch, also mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern, und auch rückblickend, wie wir vor drei Jahren miteinander unterwegs waren, wie wir miteinander gesprochen haben, das ist jetzt ganz anders. Jetzt ist es irgendwie durchlässig, das ist das Prägende für mich. Nicht einmal das neue Wissen, das wir mitbekommen haben, das ist gar nicht so wichtig, aber die Resonanz, die Übereinstimmung. Zu spüren, wir sind Menschen, wir interagieren, und da ist kein Unterschied. Die Unterschiede haben sich vom Empfinden her aufgelöst. Ich glaube, das ist das Wesentliche für mich.

Stephanie Hahn (SH): Für mich war es die grosse Berührbarkeit, die bei allen spürbar war, und die ich von Beginn an als das Besondere dieser Gemeinschaft erachtete. Das zeigte sich im Laufe der Zeit durch die Art, wie wir miteinander umgegangen sind, aber auch wie wir miteinander gesprochen haben. In den Kleingruppen ist so viel möglich gewesen, wie ich es noch nie erlebt habe in Gruppen. Ich glaube auch, dass das eine Vision für ein Miteinander sein kann, wenn man es wagt, wirklich von sich zu erzählen und dabei berührbar ist.

Ursula Klumpp (UK): Für mich waren die Vorträge zu den Themen christliche Mystik und Zen Meditation essenziell. Ebenso das Verhältnis oder die Beziehung zwischen Lehrer:innen und Schüler:innen und wie diese gestaltet werden kann. Es waren nicht nur die Vorträge, sondern auch, wie wir in diese Themen eingebunden wurden und sie teilweise zusammen erarbeitet haben oder in den Lerngruppen vertiefen konnten. Das fand ich für mich ungeheuer bereichernd.

Urs Zangger (UZ): In Ergänzung zu dem, was bereits gesagt worden ist – Wir sind noch durch Corona geprägt mit Zoom-Zuschaltungen gestartet. Ich habe euch über diese kleinen Fensterchen kennengelernt. Es hat sich dann so viel entwickelt, gerade dadurch, dass diese verschiedenen Termin-Inseln Begegnungsinseln waren und die Einstiegsrunde jeweils mit Fragen: «Wo stehe ich? Was habe ich erlebt?» begannen. Da ist so viel Persönliches mitgekommen. Da haben Krankheiten, Verluste, Abschiede, Lebensumbrüche hineingespielt und andere, bei denen es ganz rund lief. Auch das darf dazugehören und zu spüren, das ist das Leben, mit dem sind wir da.

(SH): Weiter ergänzend – Es trägt ja das Ritual, und mal tragen wir es so, und ich habe die Gruppe genauso empfunden. Wir waren Teil der Gruppe und haben den Rahmen so gebildet, und gleichzeitig hat die Gruppe uns in dem Moment, wo wir im inneren Prozess waren oder etwas erlebt haben, getragen auf die Reise. Grossartig!

(RF): Noch ein Aspekt von meiner Seite – Ich habe aus meiner Zen-Perspektive viele Irritationen gesetzt, worüber ich mir sehr bewusst bin. Aber ich glaube, dass durch diese Reibung vieles möglich wurde, das sonst nicht hervorgekommen wäre. Dadurch habe ich die Menschen anders, viel direkter, tiefer kennenlernen können.

(UZ): Das finde ich eben gerade spannend, und es ist als Thema heute wieder aufgeflackert – in welchem Verhältnis steht Zen zu Mystik und Mystik zu Zen. Das finde ich enorm spannend, und da spüre ich die via integralis suchend, interessiert, offen. Ich bin sehr froh gewesen, und habe mir das auch versprochen, im Lehrgang auf Personen zu treffen, die vom Zen herkommen, weil mich diese Seite sehr interessiert. Meine Seite kenne ich zu guten Teilen ja schon. Dass die Begegnung in Bewegung sein kann, aber bewusst diese Begegnung gesucht wird, das ist etwas, was ich als Stärke erlebt habe in diesen Jahren.

(UK): Ich möchte noch etwas anfügen zu den Themen oder zu den beiden Seiten Zen und christliche Mystik – Das immer wieder Meditieren und hineingehen in die Stille, das war bedeutungsvoll, um etwas sich setzen zu lassen oder Fragen aufkommen zu lassen. Diese Mischung finde ich unwahrscheinlich wertvoll. Nicht nur Kopf, sondern auch der Körper, der sitzt, oder der Geist. Keine Abspaltung.

(JL): Welcher Mystiker, welche Mystikerin ist dir wichtig geworden in diesen drei Jahren?

(RF): Für mich ganz klar Meister Eckhart, der ist, soweit ich das mitbekommen habe, den letzten Schritt auch gegangen, also «Gott hinter Gott», und damit Loslassen von Gott. Loslassen von den Begrifflichkeiten, wirklich in die Leere zu gehen und alles hinter sich zu lassen. Vermutlich hat er dafür mit seinem Leben bezahlt. Bei den anderen Mystiker:innen habe ich den letzten Schritt vermisst, aber ich kann es verstehen im Kontext der damaligen Zeit, mit den Ängsten um das eigne Leben (vor der Inquisition).

(UK): Ich habe in diesem Kurs begonnen, mich vertieft mit Theresa von Avila auseinanderzusetzen, weil sie mich als Frau anspricht und einfach eine Sprache spricht, die mich anders erreicht. Ich bewundere sie, da sie als Kirchenlehrerin anerkannt wurde und als Heilige. Ich finde essenziell, dass sie in einem immensen Pensum die Gründung verschiedener Klöster, die Neuausrichtung des Karmel und die Zusammenarbeit mit Johannes vom Kreuz bewältigt hat. Das ist eine enorme Leistung, ein wertvoller Beitrag für unsere Tradition. Da habe ich einen grossen Respekt dafür, und ich möchte mich weiterhin mit ihr beschäftigen und das Wissen oder die Erfahrung vertiefen.

(SH): Ich hatte mich besonders mit Edith Stein beschäftigt. Das hat mich eigentlich zuerst überrascht. Später habe ich gemerkt, dass ich damit an alte Sachen aus meiner Jugendzeit angeschlossen habe, dass sie mir damals schon mal wichtig war, und dadurch ist ein ganz grosser Bogen entstanden, auf eine Weise, die mich sehr berührt hat, inklusive dass, als ich sie ausgewählt habe, das grosse Hochwasser an der Aar geschah, wo ich damals bei meiner Grosstante Edith Stein gelesen hatte. So traf ganz viel Inneres, Persönliches und Familiengeschichtliches, auch in der deutschen Geschichte, sich plötzlich in Edith Stein wieder und in dem, was ich erfahren hatte. Ich kannte damals Mystik nicht. Als Jugendliche hatte ich mich eher gerieben daran, am fast kindlich wirkenden Glauben. Und nun entdecke ich solche tiefen, mystischen Gedanken, die zwar kindlich fast wirken, aber gleichzeitig mit grossen Verstand geäussert. Von einer Frau, die ihren Weg konsequent ging.

(UZ): Ich bin nicht bei einem Mystiker, bei einer Mystikerin stehen geblieben, das möchte ich auch nicht. Bei den Lieblingsmystikern habe ich Gerhard Tersteegen vorgestellt. Das war für mich so einer der ersten Mystiker. Ich komme aus dem reformiert geprägten Umfeld, und das ist dann so eine Möglichkeit, mit Gerhard Tersteegen ins Thema zu kommen. Der Mystiker, den ich gerne hätte vorstellen wollen, war schon besetzt durch einen Kollegen, nämlich Dag Hammarskjöld. Hammarskjöld ist für mich jemand, der mich beeindruckt wegen der Verbindung von sozialem und politischem Engagement vor dem Hintergrund eines Weges der Mystik “Hoffnungszeichen am Weg”. Ja, das ist das eine. Aber was ich toll finde, ist, es sind da verschiedene Gestalten auferstanden, der Strauss ist bunter geworden. Was mich sehr interessiert hat, ist ebenso auf der Zen Seite. Da sprechen wir dann nicht mehr von Mystiker. Bernie Glassman, eine Person, die ich gerne hätte persönlich kennenlernen wollen, und die mich fasziniert und mir auch jetzt in der Lektüre Impulse gegeben worden sind, die ich mitnehme auf meinen Weg, im Zusammenhang mit Zuflucht nehmen und Zeugnis Geben auch in einem mystischen Kontext.

(JL): Danke auch für diese Blitzlichter. Bevor ich euch in die verdiente Abendbrot Pause entlasse, die abschliessende Frage: Was macht ihr mit dem Abschluss, mit diesem Ausbildungs-Lehrgang?

(UZ): Weitergehen, ganz einfach mal weitergehen. Ich kann für mich sagen, dass ich jetzt, wenn ich zurückblicke in den letzten Jahren Heimat gefunden habe in diesem Netzwerk via integralis, da möchte ich dranbleiben. Das erlaubt mir auch, dass ich über die Grenzen von Institutionen hinausblicken kann. Das ist mir schon immer wichtig gewesen. Das ist ein Weg, der mich weiter begleiten wird, über die Pensionsgrenze in vier Jahren hinaus, und auf dem ich auch lebendig bleiben möchte und im Austausch vernetzt. Aktuell gibt es Leute, die merken, dass ich anders auftrete, auch in Gottesdiensten. Die Art, wie ich Leuten in meiner herkömmlichen Rolle als reformierter Pfarrer anders begegne. Da ist offenbar etwas geschehen, das auch weiter etwas mit mir machen wird. Ich möchte gerne auf dem Weg weitergehen und Menschen begleiten.

(RF): Bei mir schliesst sich irgendwie der Kreis zur ersten Frage, wo die Begegnungen mit euch als Teilnehmerinnen und Teilnehmer sowie der Kursleitung entscheidend waren für die Veränderungen, die da möglich waren. Ich beabsichtige in Liechtenstein ein Zendo zu eröffnen. Da werden sicher Menschen kommen, die christlich geprägt sind, und ich möchte die Erfahrungen, die ich jetzt mit euch gehabt habe, da weitertragen in dieser Offenheit. Was ich sicher nicht machen kann, ist in einem Setting von via integralis einen Kurs anzubieten. Das wäre für mich innerlich zu weit weg. Ich könnte mir vorstellen in einer Co-Leitung, wo ich den ZEN-Teil authentisch vermittle, ein Angebot zu machen, damit da auch eine Klarheit ist. Was ist Zen ? Was ist christliche Mystik ? Wo gibt es ggfs. Überschneidungen? Klarheit ist in meinen Augen in diesem Kontext sehr wichtig.

(UK): Das Stichwort Begegnung «Wo Zen und christliche Mystik sich begegnen» – das ist der Untertitel des Buches, das die via integralis beschreibt – ist auch das, was in mir geschieht, immer stärker, immer tiefer. Ich leite seit drei Jahren eine Meditationsgruppe. Ich nenne sie so, weil ich mit einem Lehrer arbeite, der mir diese Erlaubnis gab oder mich ermutigt hat, das zu tun. Der Lehrer kommt nicht von der via integralis. Sein Name ist Bernard Senegal, er ist französischsprachig und stammt aus Québec. Als Jesuit und Zen-Meister lebt er in Südkorea. Er ist etwas weit weg, aber ich glaube, er ist ähnlich unterwegs wie die via integralis. Insofern passt es gut. Ich werde diese Meditationsgruppe weiter unter diesem Namen führen, im Stile seiner Zen-Tradition. Ich bin als Lehrerin der via integralis einfach tiefer und weiter geworden und offener, und es ist für mich eine grosse Freude das zu teilen.

(SH): Ich glaube, es wird sich für mich gar nicht so viel ändern, weil ich schon länger als Assistentin von Winfried Semmler-Koddenbrock in einer Gruppe mit dabei bin, und das zuvor bereits als Aushilfe gemacht habe. Vielleicht werden sich die Sequenzen ein wenig erweitern, aber letztendlich ist es ein Schritt auf etwas mehr hinauszugehen. Dadurch, dass ich selber so glücklich war, Begleitung gefunden zu haben, nach langem Suchen, freue ich mich, das weitergeben zu können.

(JL): Ich würde mich noch gerne weiter mit euch unterhalten. Ich danke euch sehr für euer Engagement und eure Antworten und wünsche euch für euren Weg viel Inspiration und Vertrauen, das Mysterium des So-Seins weiter zu durchdringen.

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