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Abschied von unserem Co-Präsidenten Alois «Wisi» Ebneter

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Wenn Körper und Geist schwach werden
sammelt das Selbst alle Lebenskräfte ein und
steigt mit ihnen ins Herz hinab
(Brihadaranyaka-Upanischad)

Diesen Spruch aus den Upanischaden hat Wisi für die wenigen Monate schwerer Krankheit vor seinem Tod als Leitspruch gewählt.

Wisi (26. Januar 1952 – 7. Oktober 2025) war in den letzten drei Jahren seines Lebens Co-Präsident der via integralis. Ich möchte seinen Nachruf beginnen, wie er sich im Lehrenden-Portrait auf unserer Webseite 2022 selber vorgestellt hat:
«Für mich ist die lebenslange Selbstentfaltung und Reifung des Menschen sehr wichtig. So bin ich auf der Suche nach dem wahren Selbst. Aufgerufen durch die Klimaerwärmung möchte ich mich einsetzen für eine Welt für alle Menschen, Religionen und Kulturen dieser Mutter Erde.

Geboren 1952, bin ich verheiratet, habe eine Tochter und einen Sohn, sowie drei Enkelkinder.
Mein beruflicher Weg führte mich vom Eisenbetonzeichner zum Primarlehrer und über den Kurverein von Alt St. Johann zum Gemeindepräsidenten, Projektleiter der Klangschmiede und schlussendlich zur Arbeit bei den Museen des Kantons St. Gallen. Ich liebe es zu singen, unternehme gerne Wanderungen auf historischen, einsamen Wegen quer durch die Schweiz und bin stark inspiriert vom Thema Dankbarkeit. 

Wer hat mir meinen Weg gezeigt? Es waren gute Menschen, die mich auf Bücher hinwiesen. Und es sind meist spirituelle Bücher, die ich mit Spannung gelesen habe und immer wieder vertieft lese, welche mich auf meinem Lebensweg weiterführen

2013 zogen wir von den Bergen in die Stadt. Durch meine Nähe zur ökumenischen Gemeinde Halden besuchte ich die Meditationen bei Margrit Wenk. So kam ich auf den Kontemplationsweg der via integralis, der mir viel Freude bereitet. Es war für mich ein Glück, bei Margrit Schüler werden zu können. Daraus motiviert besuchte ich dann den Lehrgang der via integralis in Wislikofen von 2017 bis 2019. Als Co-Präsident möchte ich gerne einen wertvollen Beitrag leisten zur Lebendigkeit der via integralis.»

Lieber Wisi
Drei Jahre lang waren wir Co-Präsidenten des Vereins für Kontemplationslehrende via integralis. In dieser Zeit hat sich eine tiefe Freundschaft zwischen uns entwickelt.

Ich habe Dich 2017 im Ausbildungslehrgang der via integralis kennengelernt. 
Eine meiner Erinnerungen aus dieser Zeit:
Immer wieder hast Du, als Du im Lehrgang, nach Vorträgen oder Diskussionen, um Deine Meinung gefragt wurdest, die Hände auf’s Herz gelegt, ab und zu auch vor Rührung geweint, und betont, dass Du keine Worte findest für all die Geheimnisse des Lebens. 
Diese Bescheidenheit hat mich berührt.

Vier Jahre später suchte die via integralis ein neues Präsidium. Niemand erklärte sich bereit dazu. 
Da kamst Du spontan und überraschend auf mich zu und fragtest: “Bisch debii mit mir zäme s’Präsidium z’überneh? Allei mach ich da nöd. Und ich hetti Freud das mit dir zäme z’mache.”
Das Wort “Freude” hat mich sofort berührt, und es ist unser Schlüsselwort bei der gemeinsamen Arbeit geblieben.
Wenn ich anfing zu stressen, sagtest Du jeweils: “chumm, mer nemed no es kafi und überleged in aller rue wiä wiiter…” 

frisch gewählter Vorstand der via integralis 2023
vlnr: Francesco Pedrazzini, Jannah Schraner, Eveline Felder, Beatrice Sutter, Alois Ebneter


Und die Freude schwappte über auf den ganzen, frisch gewählten Vorstand. Wir hatten eine intensive und schöne Zeit zusammen. Mit Zeit auch für Geselligkeit und Austausch – dank Dir und Deinem besonderen Sinn für Humor und Deinem feinen Schalk.

Das Zwischenmenschliche war für Dich das Wichtige. Zoom-Sitzungen waren Dir eine Qual. Lieber hattest Du die Vorstandssitzungen vor Ort, wo wir zuerst gemeinsam assen, einander erzählen konnten, um dann umso konzentrierter an die Arbeit zu gehen. 
Wenn wir Tagungen leiteten, hast Du darauf geachtet, dass sie stimmig abliefen, mit erholenden Pausen und Musik. Du hast Dich in der kurzen Zeit Deiner Tätigkeit in die Herzen der via integralis gearbeitet!

Wisi als unser Finanzchef

Du hast uns bereichert, mit Deiner authentischen Art, Deinem Organisationstalent, Deiner Verbundenheit mit der Natur, Kultur und Musik, sowie Deinem Interesse und Engagement für die Kontemplation.

Im Namen der via integralis danke ich Dir, lieber Wisi, für alles, was Du uns mit Deinem Wesen und Deinem Wirken geschenkt hast!

Francesco Pedrazzini


Offenherzigkeit und Dankbarkeit

Wisi war ein Mann mit einem grossen, offenen Herzen. Er gab mir in einem Gespräch während seiner Krankheit ganz explizit die Erlaubnis, alles von ihm und seinen Prozessen zu erzählen, wenn ich es als hilfreich anschaue. Offenherzigkeit. 

Ein Bild bleibt mir in tiefer Erinnerung. Kontemplationswoche im Fernblick. Vor dem Morgenessen weise ich auf die Alpsteinkette im frischen Morgenlicht. Wisi legte seine Hände aufs Herz und weinte lange Zeit, so tief hat ihn dieser Anblick angerührt.

Später schrieb er diesen Text: 
„Denkt daran – alles Leben ist heilig.
Auch wenn nichts zählt, nur Konsum und Geld
und wenn nichts gilt als Ehr und Ruhm.
So bitten wir, dass Ihr in Euren Herzen wisst: 
Dass alles Leben heilig ist.
Jeder blühende Baum und jedes Blatt im Wind
jeder glänzende Wurm und jedes trächtige Rind
jedes Kribbeln der Haut und jeder Tropfen Blut
jede Träne, die fliesst und jeder Atemzug 
jeder Teil dieser wunderbaren Erde ist heilig.“

In diesem Frühling, drei Stunden nach der Diagnose kam er in die Meditation. Er bat mich um ein kurzes Gespräch nach der Kontemplation. In aller Ruhe sagte er dann: “Ich habe Bauchspeicheldrüsenkrebs – und es ist in Ordnung so. Ich hatte ein so reiches Leben, bin dankbar für meine Familie und in den Jahren der Kontemplation wurden mir Erfahrungen geschenkt, von denen ich nicht einmal träumen konnte. Es reicht für ein Leben.” 

Bei jedem Besuch bei Wisi und Bernadette erlebte ich ein ganz tiefes Einwilligen – auch ins Schwere. Kein Aufbegehren, kein Widerstand – ein Ja zu dem, was ist. 

Wisi, durch das Annehmen deiner Krankheit und dein Sterben bist du mir Lehrer.
Bei einem Gespräch hast du mir einmal aus deinem Tagebuch eine Passage aus einer Kontemplationswoche vorgelesen. Anschliessend fragte ich dich, ob ich diesen Text abschreiben und ihn während einer Kontemplationswoche vorlesen dürfe. „Du kannst alles von mir erzählen, was du willst“ war deine Antwort – und dann hast du einfach die Seite aus dem Tagebuch herausgerissen und mir diesen Text geschenkt: 
„Meine Seele strahlt, freut sich, ich verspüre unendliches Glück. Der Tod, der Himmel kann nur schöner sein, der Übergang ist sanft und lieb. Alle waren so gut zu mir. Mein Höhenflug gibt nicht ab, ich fliege, ich träume, ich sehe absolut klare Wege und Ziele.“  

Wisi, in grosser Dankbarkeit für dich, deinen Prozess, für dein Leben und Wirken verneige ich mich vor dir.

Margrit Wenk-Schlegel

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