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Was ist Kontemplation?

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In den spirituellen Quellen aller grossen Religionen gibt es Versenkungswege, die uns vom Oberflächenbewusstsein in die Tiefe weisen. In der christlichen Tradition ist es die «Kontemplation», ein Wort, das im Mittelalter für das gegenstandsfreie Gebet verwendet worden ist, für das Gebet ohne Worte und Bilder. Es stammt vom lateinischen «contemplatio» ab, das «beschauen» meint oder noch aussagekräftiger «sein Augenmerk auf etwas richten». «Con» meint «mit», – nämlich mit dem «templum» verbinden, d.h. Gott und Schöpfung vereinen. Dieser Tempel, der wir selbst sind, ist der ortlose Ort in uns, in dem wir eins sind mit dem ursprungslosen Grund aller Dinge.

Meditation wurde in der christlichen Tradition eher als umfassender, übergeordneter Begriff verstanden bzw. als vorgängige Übung der Kontemplation. Sie beinhaltet diskursive Verstandestätigkeit und bildhafte Abläufe, die sich mit heiligen Texten beschäftigen, nachsinnend, nachspürend, versenkend, beispielsweise in das Leben und Sterben Jesu. 

Meditation steht heute aber vor allem für die Versenkungsübung aus der zen-buddhistischen Tradition und wird deshalb sprachlich oft analog zu Kontemplation verwendet. Die begleitende Unterweisung hat ihre Quelle in der Zentradition, während das innere Geschehen dem der Kontemplation sehr ähnlich ist.

Kontemplierende sind eingeladen, völlig passiv in Stille zu sitzen, sich achtsam einzusammeln im Atem, alles loszulassen bis hin zu einem Zustand des Nichtwissens bzw. einzutauchen in die dunklen Nächte (Johannes vom Kreuz) und einzukehren im Grund, um die Gegenwart Gottes zu erfahren. Das ist ein prozesshaftes Geschehen, das mit intensiven Phasen der Reinigung («via purgativa») verbunden ist, sowie mit einem Transformationsprozess des Ego. Die tiefe kontemplative Ruhe erweist sich als höchste innere Aktivität von verwandelnder Kraft. Gott selbst befähigt den Menschen, zu seiner Gegenwart zu erwachen. Die deutschen Mystiker, allen voran Meister Eckhart, sprechen in diesem Zusammenhang von der Gottesgeburt in der Seele. Teresa von Avila und Johannes vom Kreuz (spanische Mystik) erfahren Gott als Urbild der Liebe und wissen sich zu dessen Teilhabe gerufen. Liebe motiviert zum Aufbrechen zu diesem Weg nach innen, Liebe ist die Aufgabe, zu der der Mensch im Leben berufen ist. 

Hildegard Schmittfull ktw
Kontemplationslehrerin via integralis und Zen-Lehrerin der Glassman-Lassalle Zen-Linie

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