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Musik und Stille – meine Erfahrung vom Ein-Klang

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Lass mein Leben einfach und gerade sein wie eine Flöte, damit Gott sie mit Musik füllen kann. (Tagore)

Diesen Satz schrieb mir eine amerikanische Zen-Nonne, die ebenfalls Flötistin war, bei meinem ersten Besuch in Japan im Jahre 1998 als Widmung in ein Sutra-Buch.

1994 kam eine Anfrage von Heini Steinmann, der das Sogen-Zendo Zürich leitet. Er fragte, ob ich zusammen mit Monika Moser – wir bilden das Duo toccabile – am Ende eines Zen–Sesshins in der Kientaler Kirche ein Konzert geben würden. Der Zen-Meister Yamakawa Roshi war mit Nonnen, Mönchen und Anhängern des Klosters Sogen-ji aus Japan hergereist, um mit den Praktizierenden des Sogen-Zendo Zürichs im Kientalerhof ein Sesshin anzubieten.

Nie werde ich diese erste, für mich so prägende Begegnung mit diesem Meister vergessen. Es schien mir, als nehme er die Musik über seine tief strahlenden Augen auf.

Er war sichtlich glücklich, habe er doch über zehn Jahre lang kein Konzert mehr gehört. In das Gefäss einer Stille, die sich über sieben Tage aufgebaut hat, zu spielen, war für mich ein dankbares, ja überwältigendes Erlebnis.

Yamakawa Roshi bedankte sich unter Tränen immer wieder für die Musik – Musik sei so essentiell und könne Schmutz abwaschen. Draussen hat es leise geschneit – die Welt war weiss. Und ich wusste, meinen Meister gefunden zu haben.

Japan, prägende Stationen meines Lebens

Ich meldete mich künftig für jedes Sesshin an und reiste auch nach Japan, um meinen Weg zu vertiefen.

Das Koan, das er mir gab: Flöte spielen ohne Flöte. Wie soll das gehen? Ein langer Weg begann, als Meister entpuppte sich Yamakawa Roshi als unerbittlich.

Und doch war für mich sehr eindrücklich und beglückend, meinen Beruf mit dem spirituellen Weg zu verbinden und über mein Instrument zu lernen, frei zu werden, eins zu sein. «Be one – be Buddha» das war sein Anliegen.

Yamakawa Roshi wünschte sich nach jedem Sesshin ein Konzert und lud uns immer wieder ein, an den Kulturtagen, die er alle zwei Jahre in seinem Kloster anbot, Musik zu machen. Oft kam der Zürcher Cellist Christof Mohr dazu. Er praktizierte ebenfalls mit Roshi. So bildeten wir das Trio toccabile. Roshi war noch Abt von zwei anderen Klöstern und so durften wir an mehreren Orten Konzerte geben und unseren Aufenthalt gleichzeitig mit Praktizieren und Reisen verbinden.

Einmal waren wir auch im Shogen-ji Kloster bei Shodo Harada Roshi eingeladen. Ein unvergesslicher Tag. Dort praktizieren Menschen aus der ganzen Welt und es fand ein sehr lebendiger Austausch statt. Sie haben für uns feinstes Essen zubereitet und waren interessiert an unseren Biografien.  

Ich hatte damals gerade die via integralis-Ausbildung abgeschlossen und habe davon erzählt, dass ich in Japan Koans plötzlich mit «Ich bin»-Worten aus dem Johannes-Evangelium beantwortet habe, ohne zu wissen, dass sie mir zur Verfügung stehen. Dadurch sei auch Christus im Herzen wieder lebendig geworden und habe mich zum Kontemplationsweg der via integralis geführt.

Später hat mich Roshi aufgefordert, mit dem Koan «Zeig mir den Klang der Einen Hand» zu arbeiten. Seitdem ich es ihm zeigen konnte, fühle ich mich von dieser Einen Hand getragen, überflutet von Seiner Melodie.

Der Kosmos tanzt
tanzt durch alle Zellen
horch –
hörst du die Liebe singen
das Om durch alles schwingen
der Klang der Klänge klingen?

Anita Wysser, Kontemplationslehrerin via integralis, Musikerin, Autorin

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