Haus der Religionen Bern
Kontemplationstage im Haus der Religionen Bern/CH
Das Redaktionsteam hat mich angefragt, für den Newsletter einen Beitrag über unsere Kontemplationstage im Haus der Religionen zu schreiben und dabei auch über dieses besondere „Haus“, das in seiner interreligiösen Ausrichtung einmalig ist in der Schweiz, vorzustellen. Zunächst aber muss ich sagen: Auch wenn diese Zeilen meiner «Feder» entspringt, sind sie im Team abgesprochen. Was wir tun ist durch und durch Teamwork und wir stehen in starker Resonanz zum Geist dieses Hauses, ein Ort der Begegnung und Offenheit.
Um damit zu beginnen: Das «Haus der Religionen – Dialog der Kulturen» steht, ich würde sagen, am urbansten Ort in Bern. Am Europaplatz zwischen Bahnlinien, Tramhaltestelle, Schrebergärten und Autobahnviadukt. Es spiegelt die Zeichen der Zeit, ein Neubau mit Wohnungen, Einkaufsmöglichkeiten und mitten drin das Haus der Religionen mit seinen sakralen Räumen. Die Vision des Hauses ist, dass acht Religionsgemeinschaften: Judentum, Bahai, Islam, Christentum, Hinduismus, Buddhismus, Aleviten und Sikh vereint unter einem Dach leben und im Austausch mit der Gesellschaft stehen. Verschiedene Religionen und ihre Ausrichtungen haben hier einen Ort und deren Menschen eine Heimat gefunden. Das Haus der Religionen, welches als Verein organisiert ist, ermöglicht Dialog und Begegnungen zu verschiedenen Themen in Bezug auf Religion, Spiritualität und Kultur.
Die Kontemplationstage finden im Kirchenraum vom Haus der Religionen statt. Er wird vom „Verein Kirche im Haus der Religionen“ getragen und von verschiedenen christlichen Konfessionen und Gruppierungen genutzt. Zum Beispiel feiern die Herrnhuter Sozietät und die äthiopisch-orthodoxe Tewahedo-Kirchgemeinde hier regelmässig ihre Gottesdienste. Der Kirchenraum ist hell und schlicht in Weiss gehalten. Einzig der Herrnhuterstern und die eher dominante, in wunderbaren Farben gehaltene Ikonostase weisen auf die darin feiernden Konfessionen hin. Patrick Thurston, der Architekt des Raums umschreibt ihn wie folgt: «Ein Raum himmlischer Sphären soll die Kirche sein: unfassbar weit, von nicht endender Ordnung, in steter Bewegung, ein kraftvoller Ort! Kirche kann doch nur diese Weite, diese unbegreifliche Dimension eines Atems sein, der in uns wohnt, uns beseelt und mit den Menschen und der Welt verbindet.»
Unter diesen Gesichtspunkten scheint ein Kontemplationstag, welcher in einer ökumenischen Haltung und über diese hinausweisend die Stille pflegt, passend. Entstanden ist das Projekt 2016, wie meist, zunächst als Gedanke und Idee im Austausch unter Praktizierenden. Johanna Spittler, damals Pastorin der Mennoniten-Gemeinde in Bern, zog erste konkrete Fäden. Darauf folgten erste Treffen Interessierter. Unter anderen waren die Meditations- bzw. Kontemplationslehrer und -lehrerinnen Veronika Wyss, Adrian Zimmermann und Katharina Leiser dabei.
Die Entwicklung der Idee, deren Zielsetzung bis zur konkreten Umsetzung, benötigte Zeit und viel Klärungsarbeit. Die Einigung über die zu wählende Form und die Rituale benötigte gegenseitiges Verständnis und Entgegenkommen. Dabei ist uns bewusst geworden, wie sehr wir alle geprägt sind von der je eigenen Tradition. Seit 2017 setzt sich das Leitungsteam aus Veronika Wyss (Via Cordis), Adrian Zimmermann, Katharina Leiser, Sepp Seitz und mir, Antonia Seiler (alle via integralis) zusammen. Wir führen viermal jährlich einen Kontemplationstag durch. Zwei Personen des Teams stehen jeweils vor und leiten durch den Tag. Das Angebot richtet sich an Menschen mit Meditationserfahrung, jedoch auch an Interessierte, welche einen Tag der Stille und Meditation kennen lernen möchten.
Da es in den Kirchgemeinden in und rund um Bern einige wöchentliche Angebote des «Stille-Sitzens» gibt, ist es eine schöne Geste, dass die Kontemplation auch in der Kirche im Haus der Religionen ihren Platz findet. Jedoch: Hier die Stille zu pflegen, in einem Haus der Begegnung und des Dialogs, ist nicht immer einfach. Vieles ist auch im Haus der Religionen, wie auch im Verein der Kirche noch im Aufbau begriffen. Augenzwinkernd wird das Haus schon mal als interkulturelle und interreligiöse WG bezeichnet.
Nach jedem Kontemplationstag sind wir immer wieder von neuem erfüllt von der Stille und Kraft, welche durch die Gruppe entsteht. Es ist etwas Besonderes hier in diesem Sakralraum zu sitzen, der inneren Stille zu lauschen, einzukehren und anschliessend wieder in die Begegnung mit den Menschen zu treten, sei es hier in diesem Haus oder draussen in der Urbanität des Europaplatzes, oder eben da, wo du gerade stehst…
Der Mystiker Heinrich Seuse (vor 1300-1366) formulierte treffend:
Alle Dinge haben ihre Zeit.
Ein weiser Mensch soll seine Innerlichkeit nicht wegwerfen in den äusseren Dingen,
noch soll er das Äussere verleugnen gegenüber der Innerlichkeit.
Und so geht er nach aussen und nach innen
und findet Ruh in allen Dingen.
Antonia Seiler und Team, Juni 2019
Foto: A. Zimmermann
Weitere Infos: www.haus-der-religionen.ch