Die Männergebetswache auf dem Lindenberg
Seit beinahe 70 Jahren ist der Lindenberg in St. Peter im Schwarzwald geprägt vom Gebet unzähliger Männer. Rund 1000 Männer verbringen pro Jahr je eine Woche damit, meist Tag und Nacht in der Kirche Maria Lindenberg Gebetswache zu halten. Organisiert in Gruppen teilen sie sich die Gebetszeiten ein, sprechen in der freien Zeit über «Gott und die Welt» und genießen dabei die reichhaltige Verpflegung im Haus Maria Lindenberg ebenso wie die Natur von Sonnenaufgang bis zu malerischen Sonnenuntergängen. Mit Haus- und Tagesgästen versammeln sie sich zum Morgen- und Abendgebet sowie zur Feier der Eucharistie in der Kirche. Begleitet werden sie in der Zeit ihres Aufenthalts vom Wallfahrtspfarrer, der zudem täglich einen Vortrag hält.
Ursprung der Männergebetswache mit aktueller Bedeutung
Nach Ende des Zweiten Weltkrieges kam es zu deutsch-russischen Gesprächen zur Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen. Dabei sollte von Kanzler Konrad Adenauer auch die Freilassung von 11’000 deutschen Kriegsgefangenen angesprochen werden. Diese Begegnung, deren Ausgang ungewiss war, veranlasste den damaligen Männerseelsorger der Erzdiözese Freiburg Alois Stiefvater dazu, sich mit einem Gebetsaufruf an die katholischen Männer zu wenden. Er wollte zusammen mit einer Gruppe Männer, im Geiste des Friedensheiligen Bruder Klaus von Flüeli in der Schweiz, um Beistand und Gelingen der Gespräche beten.
Die Gespräche verliefen erfolgreich. Doch das Anliegen, um Frieden in der Welt zu beten, sollte nicht verstummen. So wurde nach einem Ort in der eigenen Heimat Ausschau gehalten und die Wallfahrtskirche Maria Lindenberg mit ihrem Gästehaus gefunden. Aufgrund des Lockdown während der Corona-Pandemie 2020/2021 gab es erstmals eine Unterbrechung der Gebetswache. Für Männer, die zum Teil schon 15, 20 oder gar 30 Male dabei waren, war dies ein großer Verzicht. In diesen Tagen, in denen der Krieg zwischen Russland und der Ukraine unerbitterlich fortgeführt wird, hat das Gebet der Männer auf dem Lindenberg neu an Dringlichkeit gewonnen.
via integralis: Meditieren für Frieden – ein Projekt zieht Kreise
Als 2015 bekannt wurde, dass das Haus Fernblick in Teufen/CH, das jahrelang Stammhaus der via integralis war, Ende 2016 verkauft werden würde, hatte Bernhard Stappel die Vision, das letzte Jahr meditierend im Haus zu verbringen: Das Haus sollte als kraftvoller Ort des Friedens übergeben werden. So erging die Einladung an alle Lehrenden der via integralis, für eine Woche den Dienst des «Meditierens für eine friedliche Welt» durch Präsenz und Leitung von Morgen- und Abendmeditation zu übernehmen. 27 von ihnen beteiligten sich das Jahr über daran. Zahlreiche weitere kamen für ein paar Tage dazu. Nachbar:innen und Ortsansässige kamen zu den Morgen- und Abendmeditationen dazu. So wurden jahrelange Freundschaften gewürdigt, neue Kontakte geknüpft und Begegnungen möglich, die die Idee nach diesem Jahr weitertrugen: Margrit Wenk lädt in der Schweiz regelmäßig zum Meditieren für Frieden ins Meditationszentrum Felsentor, in die ökumenische Gemeinde Halden, St. Gallen und in die Propstei Wislikofen ein. Dorothea Welle schlug die Brücke zum Lindenberg in Deutschland.
Seit 2017 ein Projekt der via integralis: Meditieren für Frieden auf dem Lindenberg
Kann das Projekt vom Fernblick auf andere Häuser übertragen werden? Diese Frage stellte Dorothea Welle an Bernhard Stappel und gemeinsam loteten sie die Möglichkeiten für den Lindenberg aus.
Mit der Männergebetswache war das Anliegen des Friedens schon fest verankert. Da im Dezember keine dieser Gruppen vor Ort ist, war das Zeitfenster für die via integralis gleich gefunden. Eine kleine Gemeinschaft von Lehrenden der via integralis wohnt für eine Woche im Haus. Die Mitglieder halten einen Rahmen, der zweierlei Teilnahme ermöglicht:
- Morgen- und Abendmeditation in der Kirche für Hausgäste und Passant:innen. Eine Teilnahme ist ohne vorherige Anmeldung möglich.
- Einzelretreat mit fester Tagesstruktur aus Meditationszeiten, Impuls, Dialog aus der Stille und freier Zeit. Teilnehmende können einen Zeitraum auswählen und sich dazu anmelden. Ihr Aufenthalt beginnt um 17 Uhr und endet nach dem Mittagessen des letzten Tages. Für sie besteht darüber hinaus die Möglichkeit zu Einzelgesprächen.
Dieser Rahmen steht zusammen mit der Logistik des Hauses (Übernachtung/Verpflegung auf eigene Kosten) allen Kontemplationslehrenden der via integralis und ihren Schüler:innen zur Verfügung. Er ermöglicht, gemeinsam eine intensive Lehrenden-Schüler:innen-Zeit zu verbringen und zugleich in eine tragende Gemeinschaft eingebunden zu sein. Lehrer:innen, die sich als Teil der Gemeinschaft einbringen, erhalten einen vergünstigten Aufenthalt.
Im Team mit Bernhard Stappel und Dorothea Welle waren in den letzten Jahren aus der via integralis-Gemeinschaft: Katharina Leiser, Ute-Monika Schelb, Monika Schula, Hildegard Schmittfull, Angelika Schulz, Sepp Seitz, Winfried Semmler-Koddenbrock.
2021 – eine fruchtbare Begegnung
Ende November 2021 gab es erstmals eine zeitliche Überschneidung: Die Männergruppe aus Heidelberg mit ihrem Obmann Heinrich Vowinkel und die kleine Gemeinschaft der via integralis waren gleichzeitig im Haus. Nicht nur am Büfett, sondern auch bei gemeinsamen Zeiten in der Kirche lernten sie sich gegenseitig kennen. Es zeigte sich: Die Sehnsucht nach Frieden in der Familie, im eigenen Leben und die Not der Menschen in vielen Ländern der Erde lassen Frauen und Männer nicht müde werden, um Frieden zu beten, die Meditation in das Anliegen des Friedens zu stellen.
Die gegenseitige Teilnahme am Stundengebet der Männer bzw. an einer halbstündigen Meditation in Stille zeugte von gegenseitigem Interesse. Wer bleiben wollte, blieb. Und es waren fast alle.
«So etwas habe ich noch nie erlebt. So eine tiefe Stille. Das hat mich noch die ganze Nacht berührt.» «Damit kann ich nichts anfangen.» In dieser Spanne erlebten die Männer die gemeinsame stille Zeit, die mit dem gesungenen oder gesprochenen Bruder-Klausen-Gebet begann. In ähnlich unterschiedlicher Weise fühlten sich die Frauen und Männer vom Gesang der Männer beim Stundengebet berührt.
Neben manchem Seitengespräch gab es auch eine Gesprächsrunde am Abend. Ein Mann erzählte von seinem Gebetskollegen, der im Blick auf den Gekreuzigten Heilung von seinen Kriegserlebnissen erfuhr. Eine Meditierende erzählte, wie sie im Schweigen eine Verbundenheit mit dem Göttlichen erspürt, woraus Kraft erwächst, um in der Auseinandersetzung mit Andersdenkenden nach Verstehen zu suchen und den Faden nicht abreißen zu lassen.
«Das gute Miteinander und die Gespräche haben sich in unserer Gruppe sehr positiv ausgewirkt», so ein Fazit von Heinrich Vowinkel. Im Grunde geht es für Meditierende und Betende um die gleiche Frage, egal ob sich diese in der Stille zeigt oder von anderen Menschen an sie herangetragen wird: Welchen Beitrag kann ich, kannst du in der Zeit der Stille für den Frieden in der Welt «leisten»?
Ja, es ist ein Friedens-, ein Versöhnungsdienst, der im Innersten beginnt und den die Menschheit und die ganze Schöpfung in diesen Tagen des Krieges rund um die Ukraine und an anderen Brennpunkten der Welt mehr denn je braucht.
Ausblick 2022 – Teilnahmemöglichkeit in der Gemeinschaft oder als Einzelretreat
Für die Zeit vom 26.11. bis 9.12.2022 können sich Interessierte, die eine Woche lang Teil der kleinen via integralis-Gemeinschaft sein möchten, ab sofort mit Bernhard Stappel (b.stappel@posteo.de) oder Dorothea Welle (dorothea.welle@haus-maria-lindenberg.de) in Verbindung setzen. Wer für einige Tage zum Einzelretreat kommen möchte, meldet sich direkt unter info@haus-maria-lindenberg.de an. Eine weitere Woche ist noch in Planung.
Dorothea Welle, Katharina Leiser, Monika Schula, Bernhard Stappel