Erfahrungsbericht der via integralis-Lehrenden-Fortbildung 2023 von Hella Sodies
An unserem diesjährigen Fortbildungswochenende Anfang September im Haus Maria Lindenberg im Schwarzwald setzten wir – knapp 30 Lehrerinnen und Lehrer – uns mit Chancen und Bedenken hinsichtlich der Variationsformen «aus-» und «zueinander».
In Vorträgen und verschiedenen Austausch- und Reflexionsrunden gingen wir den Fragen nach: Wie nehmen wir den uns jeweils weniger vertrauten Vertiefungsweg wahr? Was lockt? Was befremdet? Was verbindet? Was gibt Boden?
Als Meditierende kennen wir die Erfahrung, dass die göttliche Präsenz unverfügbar ist. Zugleich erleben wir, dass die Übung des Sitzens (Zazen) für eine Erfahrung von Einssein sensibilisiert. Sie kann zu einer Durchbruchserfahrung werden inmitten einer Welt, in der wir dem Spiel vielfältiger Kräfte ausgesetzt sind. Die Frucht der Meditationspraxis reift dabei in der Stille. Sie kann ein Beitrag sein zu einem gelingenden und friedvolleren Miteinander. Bei einigen Meditierenden wächst im Laufe der Zeit die Sehnsucht, ihre Meditationspraxis noch weiter zu vertiefen.
Dafür kennt die via integralis zwei sogenannte Vertiefungswege, auf denen Schüler:innen sich von Lehrenden mit Lehrerlaubnis Stufe 2 begleiten lassen können: Die Vertiefung mit christlichen Schlüsselworten und den Weg des NADA in der Tradition der christlichen Mystik. Einzelne Lehrer:innen begleiten ausserdem die Praxis des Shikantaza (reines Sitzen in wacher Präsenz). Aus der Stille des Zazen haben sich also Variationsformen der gemeinsamen Übung entfaltet.
In einem ersten Vortrag fasste Margrit Wenk, von 2021 bis 2023 spirituelle Co-Leiterin der via integralis, die Grundlagen der Begleitung mit NADA als Grundwort auf dem Weg der Kontemplation zusammen. Die Vertiefung mit NADA ist seit 2010 in die Meditationspraxis der via integralis integriert – massgeblich durch Bernhard Stappel (spiritueller Co-Leiter 2012-2021), inzwischen begleitet durch eine eigene Studien- bzw. Vertiefungsgruppe.
In einem zweiten Vortrag ging Jürgen Lembke, seit 2023 Nachfolger von Margrit Wenk in der spirituellen Co-Leitung der via integralis, Diversität und Gemeinsamkeiten in unserer Meditations- und Vertiefungspraxis nach. Er zeigte spannende Parallelen zur Soto-Schule im Zen-Buddhismus auf, die ebenfalls Variationen der Meditationsübung kennt.
Wer, was bin ich? Fisch oder Vogel? Sich diese Frage zu stellen, lud schon Dogen in seinem Genjôkôan im 13. Jh. ein. Jürgen Lembke führte aus, dass die Antwort darauf im Verlauf des Lebens durchaus wechseln kann. Eine Erfahrung, die – wie der folgende Austausch zeigte – auch Lehrende der via integralis kennen.
Eine Teilnehmerin stellt nach den beiden Vorträgen fest: «Die Erfahrung der letzten Wirklichkeit, der Einheit und Verbundenheit mit allen Wesen ist auf allen Übungswegen der kontemplativen Praxis erfahrbar. In der Tiefe geht es um dasselbe, gelangen wir an denselben Ort des Friedens und der Liebe in der Leere. Es hat mich sehr berührt, davon so engagiert und authentisch bezeugt, aus je einem anderen Blickwinkel, zu hören.»
Neben der thematischen Auseinandersetzung mit dem Schwerpunktthema lebte das Wochenende von einer reichen «kreativ-spirituellen Teilete» am Samstagabend. Erstmals waren die Lehrenden eingeladen, Kostbarkeiten, die sie auf ihrem inneren und äusseren Weg inspirieren oder die durch die eigene Meditationspraxis inspiriert wurden, mit der Gruppe zu teilen. Da wurden selbstgemalte Kunstwerke gezeigt, selbst oder von anderen Autor:innen verfasste Gedichte vorgetragen, Musik eingespielt u.a. – vielfältige Inspirationen der Lehrenden, die durch das Teilen mit den Kolleg:innen Neues entdecken ließen und die Verbundenheit miteinander vertieften.
Die Fortbildung wurde zu zwei Tagen des bewegten Ringens und beschwingenden Tanzens – Zweiteres punktuell auch im wahrsten Sinn des Wortes – zwischen Einheit und Vielfalt. Sie hat uns mit unseren verschiedenen Vertiefungswegen bei verbindender Grundpraxis für das gemeinsame Weitergehen als Verein und Gemeinschaft von Lehrenden inspiriert und gestärkt.
«Die erlebte Zugewandtheit während der Fortbildung, das freie Fliessen bei der spirituellen Teilete und das leichtfüssige Tanzen zum Abschluss sind Zeugen dieser wegweisenden Fortbildung.» fasst eine Teilnehmerin zusammen. Am Ende standen rundum die Erkenntnis und das Vertrauen, dass in der Einheit Vielfalt und Fülle möglich und sinnvoll sind. Das Profil der Kontemplationsschule hat an Konturen gewonnen. Als Kontemplationsschule geben uns die Variationen der Übung nicht zuletzt die Möglichkeit, der Unterschiedlichkeit der Schüler:innen und ihren dementsprechend verschiedenen Bedürfnissen nach Vertiefung gerecht zu werden.