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Fünf Fragen an unseren Referenten Jorge Koho Mello am Ende unserer Fortbildung 2022

DW: Koho, du bist in Brasilien aufgewachsen, hast auch italienische Wurzeln, hast in England und USA wichtige Etappen deines Lebens verbracht und lebst heute in der Schweiz. Bei deiner Vorstellung sagtest du: „Ich bin überall daheim.“ Was meinst du damit und was bedeutet dir deine „geburtliche“ Heimat?

KOHO: Die Bevölkerung von Brasilien ist gemischt. Wir kommen aus vielen Ländern. Wir leben eine universelle Identität, eine Nähe mit allen. Als Jugendlicher habe ich erfahren, unser Ich ist nicht substantiell. Identität ist flüssig. So ist ein Wechsel möglich.

Die Erfahrung von Gemeinschaft hat mir das gezeigt: in Findhorn/Schottland und im Schumacher College/Großbritannien. Dort gehörte Gemeinschaftsleben als Teil der Pädagogik dazu: Alle haben gespült, geputzt, gekocht … es war so wie das Samu im Zen. 

Gemeinschaft ist überall möglich, also bist du überall daheim. Im Zen haben wir den Grundsatz: sehen und darin erkennen, dass auch das Verschiedene gleichwertig ist.

DW: Wir hatten dich angefragt, von den Zen-Peacemakern zu erzählen. Welche Etappen haben dich dahin geführt? 

KOHO: Ich arbeitete 18 Jahre u.a. als Systemanalytiker in einer Bank. 

Ich hatte immer mehr das Bedürfnis, etwas zu machen. Engagement ist der erste Schritt bei den Zen-Peacemakern. Über einen jüdischen und Zen-praktizierenden Freund, Ovidio, habe ich die Zen-Peacemaker kennengelernt. Er ist Psychiater und Koordinator des Family Institute in Südbrasilien, an der die Schüler mittels eines sozialen Engagements bis die Hälfte des Supervisiongeldes begleichen. So kam ich in die Schweiz und traf auch dort auf diese Form des Zen nach Bernard Glassman. Ihn lernte ich in Auschwitz kennen. Es folgten Straßenretreats, an denen ich teilnahm. 

DW: In der Schlussrunde unserer Fortbildung sagten einige: „Das, wovon du gesprochen hast, war mir irgendwie vertraut.“ Du hast Mutter Teresa zitiert, Victor Frankl, Martin Buber … auf welche Quellen berufen sich die Zen-Peacemaker? 

(Koho holt weit aus. Ich versuche, das Wichtigste festzuhalten. Anmerkung: Dorothea)

Die Zen-Peacemaker sind eine moderne Übersetzung des traditionellen japanischen Zen-Buddhismus durch Bernard Glassman. Er hat die alten Texte lange studiert und sich dann der sozialen Arbeit mit Arbeitslosen, Drogen- und Alkoholabhängigen gewidmet. Die Idee vom neuen großen Mahl entstand: Alle Zutaten sind da – mache etwas daraus.

Mit seinem entschiedenen sozialen Engagement kam es zum Bruch mit seinem Lehrer Maezumi Roshi. Bernard Glassman lehnte die patriarchale Struktur der Zen-Tradition ab. Er legte seine Zen-Kleidung ab. Seine Vision, die er konsequent verfolgte, war die einer flachen Hierarchie. Maezumi Roshi konnte diesen Weg nicht mitgehen, aber nach Jahren respektierte er ihn. 

Noch eine weitere Ergänzung zur bestehenden Tradition nahm Glassman vor. Den fünf „Buddha-Familien“ – das sind die fünf Weisheiten des Buddhismus: Grundlagen und Spiritualität (Buddha); Studium und Wissen (Vajra); Lebensunterhalt und Ressourcen (Ratna); Beziehung und Gemeinschaft (Padma) sowie Soziales Handeln (Karma) – fügte er eine sechste hinzu: the order of disorder (die Ordnung der Unordnung).
Wie es dazu kam? In der Trauer über den Tod seiner ersten Frau begegnete Glassman einem Clown. Seine Art, mit der eigenen Begrenztheit und gesetzten Grenzen umzugehen, hat Bernard Glassman ins Leben zurückgebracht. Das war so bedeutsam für ihn, dass er immer eine Clownsnase bei sich hatte und damit “the order of disorder” praktizierte.

Nach Glassmans Tod lag erst einmal alles zwei Jahre lang flach. Dann gab es einen Neuanfang durch seine zweite Frau Roshi Eve Myonen Marko. Heute sind wir mit dem Zen-Peacemaker-Orden wieder auf der Suche. Gemeinsam sind wir, Roshi Marko und ich, in der spirituellen Leitung. Es geht darum, dass jemand im Zentrum steht, der die Vision trägt, ohne dass daraus eine Pyramide (Hierarchie) entsteht. Die fünf bzw. sechs Buddha-Familien sind gleichberechtigt. Frauen wie Männer, Hetero und Homo sind in der Peacemaker-Community willkommen. Gemeinschaft ist Diversität.

DW: Wir von der via integralis haben über dich den Kontakt und Austausch zu den Peacemakern gesucht. Sind die Peacemaker mit anderen Bewegungen oder Verbänden vernetzt? 

KOHO: Alle können mitmachen, die nach den drei Grundsätzen leben: Nicht-Wissen, Zeugnis-ablegen, soziales Engagement. Wir verbinden uns mit allen, die wie wir eine kontemplative Praxis pflegen und Gemeinschaft leben. Das findest du auf unserer Homepage. (https://zenpeacemakers.org)

DW: Du hast mit uns drei Tage verbracht. Was möchtest du der via integralis mitgeben?

KOHO: Wo du bist, ist nicht wichtig. Wichtig ist, dass du ein Zentrum in dir hast. 

Bernie Tetsugen Glassman Roshi sagte einmal: “Unsere Aufgabe ist es, dem Leben zu dienen. Die Basis solchen Handelns liegt in der Erfahrung der Einheit und inneren Verbundenheit allen Lebens. Diese Erfahrung nennt man auch «Erleuchtung». «Dienen» ist ihr zentrales Element.” 

Das Interview führte Dorothea Welle.

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