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Stiller See – Ein Ort der Einkehr in Bern

Als ich im Sommer 1996 aus meinem allerersten Zen-Sesshin zurückkehrte, war mir klar, dass mich der Weg nach innen so schnell nicht wieder loslassen würde. Die Tage intensiver Meditation bei Niklaus Brantschen im Lassalle-Haus hatten mich körperlich an meine Grenzen gebracht, im Innersten tief ergriffen und aufgewühlt – und sollten mein Leben in ganz neue Bahnen lenken. Auf der Suche nach einer Meditationsmöglichkeit im Alltag, fand ich zunächst das Zendo im Maximilianeum in Zürich in unmittelbarer Nähe zu meinem damaligen Arbeitsort. Doch war ich sehr froh, als ich im Jahr darauf zu einer Gruppe an meinem Wohnort in Bern stossen durfte, die sich auf Initiative von Georg Walker, damals Zen-Schüler von Pia Gyger, in der katholischen Kirche Bruder Klaus am Burgernziel formiert hatte. 

Seit 1996 trafen sich hier jeden Mittwochmorgen rund zehn Personen von sechs bis halb acht zu drei Einheiten Zazen. Die Gruppe wuchs kontinuierlich, so dass ich ab 1999 in der Leitung mithelfen und das Angebot auf den Montag- und Freitagmorgen ausgeweitet werden konnte. Als im Jahr 2000 auch Hildi Thalmann zur Leitung stiess, kamen eine weitere Zen-Meditation am Dienstagabend und christliche Kontemplation am Donnerstagabend dazu. Ab 2001 bestand in der Bruder Klaus Kirche also an sämtlichen fünf Werktagen die Gelegenheit zur gegenstandslosen Meditation – ein Angebot, welches in diesem Umfang über 20 Jahre hinweg erhalten bleiben sollte. 

Im selben Jahr gab sich die Meditationsgruppe, die inzwischen auf über 20 Personen angewachsen war, den Namen «Stiller See» und wurde offiziell zu einer Gruppe der Pfarrei Bruder Klaus, was mit einem Vortragsabend von Pia Gyger und dem damaligen Pfr. Josef Kuhn gefeiert wurde. Weitere Vorträge von Soto-Zen Meister Fumon Nakagawa, Niklaus Brantschen und Franz Xaver Jans, die jeweils auf reges Interesse in der Pfarrei und der ganzen Stadt stiessen und den grossen Pfarreisaal füllten, folgten im Jahresrhythmus. 2006 erhielt der Meditationsraum schliesslich seine jetzige Gestalt mit Tatamis und der Kalligraphie «Ensô – Der Kreis» von Sanae Sakamoto, was die Übung der Einkehr in optimaler Weise unterstützt.

Wie bei anderen Übungsgruppen, die in den 90er Jahren ausgehend vom Lassalle-Haus ins Leben gerufen wurden, stand die regelmässige Praxis des Zazen, des Sitzens in Stille, im Vordergrund. Zugleich aber war sie von der Offenheit gegenüber anderen mystischen Traditionen geprägt und bestrebt, den Schatz der christlichen Mystik einfliessen zu lassen. Hier wurde ausprobiert, was uns von Pia Gyger und Niklaus Brantschen als ihr Herzensprojekt nahegebracht worden war und Jahre später mit der via integralis ab 2003 konkrete Gestalt annahm, die Verbindung der zwei uralten mystischen Traditionen zu einem neuen Versenkungsweg.

Es war diese Praxis des Zazen, die in mir den Entschluss reifen liess meine akademische Laufbahn als Archäologe zu verlassen und mich fortan als Hausmann ganz auf die Begleitung unserer Tochter einzulassen. Und es war Frucht dieser langjährigen Übung, dass ich die Freuden und zeitweise grossen Herausforderungen ihres Heranwachsens mit unerschütterlichem Vertrauen, grosser Klarheit und Liebe begleiten konnte.

Auch heute noch werden Zen-Meditation und christliche Kontemplation nebeneinander angeboten und zu einem guten Teil von denselben Leuten besucht. Die Meditationszeiten haben sich allerdings gegenüber früher etwas reduziert und der Freitagmorgen wurde mit dem Rücktritt von Hildi Thalmann Ende 2000 ganz eingestellt. In Ergänzung zum Meditationsangebot im Stillen See findet fünfmal im Jahr ein Kontemplationstag im Haus der Religionen statt, der gemeinsam mit den anderen Berner Gruppen vom Aki und der reformierten Kirche Ostermundigen veranstaltet wird.

Der Stille See als Ort der Einkehr und des Friedens wird von vielen getragen. Da ist die Pfarrei Bruder Klaus, die das Unterfangen von Anfang unterstützte und uns den Raum der Stille kostenlos zur Verfügung stellt; da ist das Leitungsteam, das in wechselnder Besetzung die Meditationen anleitet und alles Organisatorische verantwortet; und da sind nicht zuletzt die zur Zeit rund 20 Meditierenden, die teilweise seit den Anfängen dabei sind und mit ihrem Engagement die Stille pflegen und den Frieden in die Welt hinaustragen. Ihnen allen sei von Herzen gedankt.

Bald wird auch Georg Walker wegziehen und die Gruppe nach 27 Jahren Jahren verlassen. Ich freue mich, den Stillen See gemeinsam mit Ursula Stuker und Renata Rindisbacher sowie anderen erfahrenen Meditierenden weiterzuführen. Und ich bin dankbar, an einem solchen Ort, der die Erfahrung der eigenen Tiefe und des Göttlichen in jedem von uns und in der Welt hilfreich unterstützt, mitwirken zu dürfen.

Interessierte sind jederzeit herzlich willkommen!

Adrian Zimmermann

Flyer Stiller See

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